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Polsprung und Erdklima – Auswirkungen einer Magnetfeldumkehr auf die Umwelt
Wer bisher in den hohen Norden reisen musste, um die Polarlichter zu bewundern, dürfte sich über einen Polsprung freuen. Die letzte teilweise Verschiebung der Magnetpole (Polshift) sorgte für das Auftreten von Aurora borealis-Phänomenen über der gesamten Erdkugel. Ein Polsprung dagegen bezeichnet die komplette Umkehr des Magnetfelds: Magnetischer Nord- und Südpol wechseln die Seiten – mit verheerenden Auswirkungen auf das Erdklima.
Das Erdmagnetfeld und wie es sich bei einem Polsprung verändert
Das Magnetfeld der Erde ist die Grundlage für die Funktion eines Kompasses. Die Kompassnadel richtet sich nach den Magnetfeldlinien aus, die vom magnetischen Nordpol zum magnetischen Südpol verlaufen. Damit lassen sich die Himmelsrichtungen von überall auf der Welt bestimmen. Auch Vögel nehmen das Magnetfeld der Erde wahr und orientieren sich daran, um in ihre Sommer- oder Winterquartiere zu ziehen. Das Erdmagnetfeld erstreckt sich auf das Zehn- bis Hundertfache des Erdradius um die Erde und schirmt die Atmosphäre und das Leben auf der Erde vor hochenergetischer Teilchenstrahlung aus dem All ab. Bei einem Polsprung oder Polshift geht dieser Schutz teilweise verloren.
Für die Entstehung des Magnetfelds sorgt hauptsächlich ein Mechanismus, der als „Erddynamo“ oder „Geodynamo“ bezeichnet wird. Im äußeren Erdkern, der sich im Bereich zwischen 3.000 und 5.000 km unter der Erdoberfläche befindet, bewegen sich kontinuierlich eisenhaltige fluide Massen. Im Zusammenspiel mit der Erdrotation kommt es zur Ausbildung eines Magnetfeldes, das mit dem Feld eines Stabmagneten vergleichbar ist. Der Dipolcharakter des Erdmagneten ist normalerweise über viele Tausend Jahre stabil. Hin und wieder kommt es jedoch zu einem Polshift oder einer vollständigen Umpolung.
Ob Polsprung oder Polshift – Chaos im Verlauf der Magnetfeldlinien und eine Schrumpfung der Magnetosphäre sind die Folgen. Statt eines starken magnetischen Nord- und Südpols würden sich während der Feldumkehr zahlreiche schwächere Pole über der gesamten Erde ausbilden. Ein teilweiser Polshift bringt bereits eine Verringerung der Feldstärke auf bis zu 20 Prozent des ursprünglichen Werts mit sich. Der Entstehungsprozess einer vollständigen Polumkehr könnte mit einem deutlich stärkeren Rückgang des Magnetfeldes verbunden sein.
Auswirkungen eines Polsprungs auf Klima und Umwelt
Das Laschamp-Ereignis (Polshift vor 42.000 Jahren) wird mit gravierenden Klimaänderungen in Verbindung gebracht. Der Einbruch der Ozonschicht führte zu atmosphärischen Veränderungen und einer deutlich höheren UV-Belastung. Wissenschaftler vermuten einen Zusammenhang dieser Ereignisse mit der Entstehung des ariden Klimas und dem Aussterben der Megafauna in Australien. Der Nachweis von Höhlenmalereien aus dieser Zeit soll auf einen vermehrten Rückzug der Menschen in Höhlen hindeuten. 440 Jahre soll der Polshift angehalten haben, plus jeweils etwa 200 Jahre für Entstehung und Rückbildung. Zum Vergleich: Die Dauer des letzten vollständigen Polsprungs um 180 Grad wird anhand einer Studie auf 22.000 Jahre geschätzt. Derart andauernde instabile Klimaverhältnisse und deren Folgen könnten Erdteile unbewohnbar machen oder ein Massensterben von Arten bewirken.
Wann kommt es zum nächsten Polsprung?
Eine Magnetfeldumkehr tritt in der Erdgeschichte in unregelmäßigen Abständen auf. Durchschnittswerte basierend auf früheren Ereignissen besagen, dass es circa alle 250.000 bis 400.000 Jahre dazu kommt. Der Laschamp-Polshift vor 42.000 Jahren dient Wissenschaftlern nach wie vor als Forschungsgrundlage. Die letzte vollständige Polumkehr liegt jedoch über 780.000 Jahre zurück. Lässt der nächste Polsprung der Erdgeschichte also auf sich warten?
Beruhigend ist: Von heute auf morgen muss nicht damit gerechnet werden. Ein Polsprung benötigt für die Ausbildung geschätzt mehrere Hundert bis mehrere Tausend Jahre. Beobachtungen der Magnetfeldstärke über die letzten 170 Jahre könnten auf eine sich anbahnende Feldumkehr hindeuten. Messungen zufolge hat sich die Feldstärke in 100 Jahren um etwa sechs Prozent verringert. Das Magnetfeld besitzt jedoch nicht überall auf der Erde dieselbe Stärke und eine Magnetfeldumkehr erfolgt – abhängig von der geografischen Breite und dem Ort der Messung – unterschiedlich schnell. Zudem handelt es sich um einen dynamischen Prozess: Während es zu einer Schwächung des Feldes in einer Region kommt, tritt in anderen Bereichen bereits eine Stärkung auf.